Verwandtschafts- und Sozialorganisation der Achuar des peruanischen Amazonas
(Dissertation 1985 / Feldforschungsergebnisse 1974 - 1982) - Auszug


Zeit der Conquista:

Interessante Aufschlüsse über die militärische und politische Organisation der Jivaro in der Zeit knapp nach der Conquista liefert der große Jivaro-Aufstand von 1599 gegen die Goldzentren Sevilla de Oro am Rio Upano, Logrono am Zusammenfluss von Paute und Zamora, sowie Huamboya. Trotz des von Salinas kritisierten Partikularismus, der Aufsplitterung in kleine und kleinste politische Einheiten, war es offenbar in Krisensituationen wie jener von 1599, als von den Encomienderos anlässlich der Krönung Philipp III. eine zusätzliche Abgabe verlangt wurde und diese daher die Goldtributleistungen ihrer Dienstindianer auf ein unerträgliches Maß erhöhten, möglich, eine außerordentlich schlagkräftige Allianz auf regionaler Basis zu bilden. Nach Velasco soll ein Häuptling namens Quiruba ein Bündnis der Jivaro der betroffenen Gebiete an den Flüssen Paute, Upano und Zamora mit jenen des Rio Morona zustande gebracht haben, in das auch die macas und Huanboyas einbezogen wurden, die dann allerdings an den Kampfhandlungen nicht teilnahmen.
Die Stärke der Truppe, die Logrono überfiel, ist mit 20.000 Kriegern angegeben, eine unwahrscheinlich hohe Zahl, nach der man auf eine Gesamtpopulation des doch recht begrenzten Gebietes von über 100.000 Einwohnern schließen müsste, wenn man von rezenten demographischen Daten ausgeht. Eine Erklärungsmöglichkeit bietet Costelos, der berichtet, dass an der Revolte nicht nur Jivaro beteiligt gewesen seien, sondern auch als "mitimaes" in den Goldminen der Region beschäftigte Hochlandindianer. Er erwähnt auch nicht nur einen Anführer, sondern deren vier, nämlich außer Quiruba noch Pincho, Chimbo Palacali. Ob es sich bei letzteren um Gleichgestellte oder um Unterführer handelt, geht aus dem Text leider nicht hervor; ebensowenig ist zu erkennen, ob sich nicht auch Anführer der Minenarbeiter darunter befanden.

Bemerkenswert ist die strategische Planung des Feldzugs sowie der Aufbau des Kommunikationssystems und die genau aufeinander abgestimmten Truppenbewegungen: die Planung erfolgt unter absoluter Geheimhaltung, jeder der drei Stämme erhält ein Ziel zugewiesen; um Mitternacht soll gegen Sevilla, Logrono und Huamboya gleichzeitig vorgegangen werden. Der Überraschungsangriff gelingt im Fall Logrono, die Stadt wird eingeschlossen, ein Teil der Jivaro nimmt zuerst die Kaserne ein und verhindert das Eingreifen der Soldaten; dann stürmt die Hauptmacht den Gouverneurssitz. Quiruba erfährt noch am Vormittag - als Logrono schon erobert ist - von dem Fehlschlag der Unternehmen gegen die beiden anderen Städte, und rückt sofort mit seinen Leuten auf Sevilla de Oro vor, wo sie vor der Stadt bereits auf die gewarnten Spanier treffen und diese zum Rückzug in die Siedlung zwingen, deren Gebäude sie dann in Brand stecken. Velasco gibt die Verlustziffern der Spanier mit insgesamt 30.000 an, was wohl etwas hoch gegriffen sein dürfte.

Nach diesen Erfolgen blieb die Revolte nicht auf das Einzugsgebiet des oberen Santiago beschränkt, die Jivaro sollen auch die benachbarten Provinzen von Yaguarzongo, Jaen, Loja und Quijos zerstört haben, ja die Verschwörung soll sogar bis Popayan (heute Kolumbien) gereicht haben.
Überlebende aus den zerstörten Städten, vor allem aus Sevilla de Oro, ziehen sich an den oberen Upano zurück und gründen dort Macas, das bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die einzige dauerhafte Siedlung der Jivaro (Shuar) bleiben sollte. Ansonsten bleibt der Einfluss der Spanier des oberen Santiago und oberen Morona in den nächste 250 Jahren auf mäßig erfolgreiche Strafexpeditionen und Missionierungsversuche beschränkt.
Die Kolonialisierungsaktivitäten verlagern sich in der Folge nach Süden und Südosten, an den unteren Santiago und den oberen und mittleren Maranon samt Nebenflüssen. Aber auch dort sind die spanischen Siedlungen nicht vor Überfällen sicher. 1616 kommt eine Kanuflotille den Pongo de Manseriche herauf und greift Santiago an. Dieses Ereignis bewirkt, dass der Corregidor von Bracamoros und Yaguarzongo, Diego Vaca de Vega, 1619 schließlich von Vizekönig Francisco de Borja die schon lange angeforderte Erlaubnis erhält, das Land der Maynas unterhalb des Pongo zu erobern. Im Zuge dieses Unternehmens fährt er auch den Rio Pastaza hinauf und erkundet den Lago Rimachi (Rimachuma). Knapp unterhalb der Stromschnellen gründet er San Francisco de Borja, die erste Stadt in der Montana Baja, dem eigentlichen Amazonastiefland.
Bei seiner Rückkehr wird Vaca "auf zwei Leben" zum Gouverneur von Maynas ernannt, einer neu eingerichteten Provinz, die sich vom Pongo an beiderseits des Maranon 200 leguas (1067 km) nach Osten erstreckt.
24 vecinos der Hauptstadt Borja wurden encomiendas über Indianersiedlungen entlang des Rio Maranon sowie über ein Dorf am Rio Pastaza erteilt. In Ermangelung von Gold wurden Tribute in Form von Baumwolle, Cacao und Tabak eingezogen.